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Agile CX: Von Tickets zu Konversationen
Gerade einmal rund 10 Jahre ist es her, dass soziale Medien die Kommunikation aufs öffentliche Parkett hoben. Was auch für Unternehmen attraktiv war, konnten sie über diese damals noch „neuen Medien“ doch leichter mit ihren Anhängern interagieren. Doch inzwischen ziehen Verbraucher Einzelgespräche oder Gruppenkanäle als sicherere Art der Kommunikation vor. Der Trend geht im CRM ganz klar in Richtung Messaging – was Unternehmen aufgreifen müssen, wenn sie eine differenzierte Customer Experience erreichen möchten.
Von Michael Schweidler, EMEA Marketing Manager
Zuletzt aktualisiert: 2. September 2022
Gerade einmal rund 10 Jahre ist es her, dass soziale Medien die Kommunikation aufs öffentliche Parkett hoben. Was auch für Unternehmen attraktiv war, konnten sie über diese damals noch „neuen Medien“ doch leichter mit ihren Anhängern interagieren. Doch inzwischen ziehen Verbraucher Einzelgespräche oder Gruppenkanäle als sicherere Art der Kommunikation vor. Der Trend geht im CRM ganz klar in Richtung Messaging – was Unternehmen aufgreifen müssen, wenn sie eine differenzierte Customer Experience erreichen möchten.
Im Zuge der Pandemie sahen sich Unternehmen rund um den Globus gezwungen, im Jahr 2020 ihre digitale Transformation zu beschleunigen. Größtenteils oder auch ausschließlich digital zu operieren bedeutete nicht selten, dass schnell neue Technologie angeschafft werden musste, damit Kunden weiterhin erreicht und remote arbeitende Teams integriert werden konnten. Allein aus diesem Blickwinkel heraus war die Corona-Krise ein Beschleuniger – mehr aber auch nicht. Dabei hat die Transformation zweifelsohne eine Vielzahl von Zielen und Treibern, unter ihnen mit am wichtigsten ist aber sicherlich die Verbesserung der Customer Experience.
Messaging erfährt einen regelrechten Boom im Kundenservice
Kunden erwarten heute überall einen herausragenden Service, ganz gleich, auf welchem Kommunikationskanal. Und sie erwarten, Unternehmen auf den von ihnen bevorzugten Kanälen erreichen zu können – was häufig auch diejenigen sind, die sie privat nutzen. Ganz klar, dass hierzu auch Messaging-Dienste gehören, die seit 2 zunehmend im Bereich der B2018C-Kommunikation Einzug halten.
Tatächlich hat Messaging im Kundenservice sogar ein deutlich schnelleres Wachstum erfahren als alle anderen Kanäle, insbesondere in den letzten 15 Monaten. So geht aus dem Zendesk-Report zu Customer Experience Trends 2021 hervor, dass sich die Zahl der Supportanfragen über Messaging-Dienste im Jahr 2020 nicht weniger als verdoppelt hat. Besonders hervor stachen darin die Zahlen für SMS in Deutschland hervor. Im Zeitraum zwischen März 2020, also dem Ausbruch der Pandemie, und Januar 2021 schoss die Zahl der via SMS eröffneten Servicetickets um unglaubliche 575% in die Höhe.
Bis Ende 2022 ist zudem zu erwarten, dass weltweit für 70 Prozent der Interaktionen mit Kunden neuartige Tools wie Chatbots, maschinelles Lernen oder künstliche Intelligenz (KI) sowie mobiles Messaging zum Einsatz kommen werden.
Personalisierung und Flexibilität werden zum De-facto-Standard im Kundenservice
Bereits bestehende Trends wurden durch die Pandemie noch beschleunigt: Nachdem mehrfache Lockdowns und anderen Einschränkungen die Menschen größtenteils in ihre eigenen vier Wände gezwungen hatten, sind sie dazu übergegangen, ihr Berufs- und Privatleben weitgehend online über die Endgeräte zu organisieren, die sie im Alltag nutzen: ihre Smartphones oder Tablets. Wer mit einem Unternehmen Kontakt aufnimmt, erwartet Interaktionen wie in einem persönlichen Gespräch. Die persönlichen Bedürfnisse sollen erfüllt, Fragen nicht mit Antworten von der Stange abgefertigt werden. Kunden schätzen es, wenn Supportmitarbeiter mit ihrem bisherigen Serviceverlauf vertraut sind und sie als Individuum behandeln.
Messaging bietet zudem mehr Flexibilität – sowohl für die Kunden als auch für die Unternehmen selbst, da der Dialog je nach Bedarf in Echtzeit oder asynchron stattfinden kann. Kunden können eine Konversation mit dem Kundenservice beginnen, unterbrechen und fortsetzen, wann immer sie möchten, ohne dass dabei der Gesprächsverlauf verloren geht. Messaging schafft auch mehr Flexibilität für das Serviceteam: Tatsächlich ist die Motivation der Servicemitarbeiter, eine Kundenanfrage über einen Messaging-Dienst zu beantworten, um 50 Prozent höher als bei einem herkömmlichen Live-Chat, da sie an mehreren Tickets gleichzeitig arbeiten und die Konversation jederzeit wieder aufgreifen können.
Kundenservice als Wettbewerbsfaktor
Der Support via Messaging ist inzwischen ein Hotspot für Kunden: 74 Prozent derjenigen, die diesen Kanal im Jahr 2020 zur Kontaktaufnahme mit Unternehmen genutzt haben, wollen auch weiterhin an ihm festhalten. Zudem nennt ein Drittel der unter 40-Jährigen Social-Messaging als seinen bevorzugten Kommunikationskanal für Support. Wer also in erster Linie Kunden dieser Altersgruppe adressiert, kann Social-Message heute nicht mehr nur als Beiwerk betrachten.
Kunden möchten als Individuum verstanden werden und flexibel sein. Wollen Unternehmen auch auf lange Sicht wettbewerbsfähig bleiben, kommen sie an Messaging schlicht nicht vorbei. Denn für Kunden macht der Kanal einfach den Unterschied: 44 Prozent der Kunden im Vereinigten Königreich gehen unserem jüngsten Report zufolge bereits nach der ersten schlechten Erfahrung mit einem Unternehmen zur Konkurrenz, 77 Prozent nach wiederholt schlechten Erfahrungen. Gerade in der heutigen Zeit, in denen Produkte und Dienstleistungen zunehmend austauschbar sind, wird das Kundenerlebnis zum entscheidenden Faktor für nachhaltige Kundenbindung.
Der Markt reagiert bereits auf diesen Trend: In Europa bringen inzwischen 24 Prozent der größeren Unternehmen mit 1.000 oder mehr Mitarbeitern Messaging im Kundenservice zum Einsatz, im Mittelstand (also Unternehmen mit 21–100 Mitarbeitern) gilt dies für 21 Prozent. So nahm allein die Nutzung von Messaging-Kanälen durch Supportteams gegenüber dem Vorjahr um 20 Prozent zu. Für das 2021 wollen zudem 41 Prozent der von uns in Kontinentaleuropa und dem Vereinigten Königreich befragten Unternehmen ihr Budget für Technologie-Investitionen weiter aufstocken. 36 Prozent von ihnen wollen dabei insbesondere im Bereich der CX-Lösungen stärker investieren, ein Anstieg von 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Messaging auf einem neuen Level – durch Automatisierung gestützt auf KI und Chatbots
Idealerweise sollte ein Unternehmen seine Kunden so gut kennen, dass es nicht mehr reaktiv mit ihnen kommuniziert, sondern in einem durchgängigen Dialog, der ihre Anforderungen antizipiert und proaktiv auf diese eingeht. Eine zentrale Rolle hierfür spielen KI und maschinelles Lernen sowie der Einsatz von Chatbots, denn mit ihrer Hilfe kann über Messaging-Kanäle eine Infrastruktur geschaffen werden, in der rund um die Uhr ein vollständig personalisierter Dialog möglich ist. Das Ergebnis: Zufriedenere Kunden als Folge einer dialogorientierten Beziehung zu ihnen, die sie mit größerer Treue honorieren.
Auch diesen Bereich adressieren Unternehmen immer stärker: Im Zuge zunehmender Messaging-Raten nimmt auch der Einsatz von KI und automatisierten Chatbots an Fahrt auf. Bei Interaktionen mit automatisierten Bots zeigt sich das besonders, die 81 um 2020 Prozent zugelegt haben und nun auf Platz zwei hinter WhatsApp rangieren. Strategisch betrachtet ist Automatisierung im Messaging von zentraler Bedeutung. Zwar taugen Chatbots nicht als Universallösung für jedes kundenseitige Problem, doch dafür sind sie auch nicht vorgesehen. Vielmehr sind sie ein Mittel, um das Erlebnis für Kunden wie auch Unternehmen nahtlos zu gestalten: Für Kunden liefern sie rund um die Uhr Antworten auf ihre Fragen, auf Unternehmensseite bilden sie eine effiziente Schnittstelle zu ihren menschlichen Pendants, dank derer Kunden Details und Informationen nicht unnötig wiederholt angeben müssen. Worauf es dabei ankommt, sind immer der richtige Einsatz und Zeitpunkt. So finden 40 Prozent der von uns befragten Kunden Bots etwa zur Nachverfollgung von Bestellungen nützlich, während knapp ein Drittel mit ihrer Hilfe bevorzugt Status und Kontostände abrufen. Kompliziertere Anliegen wie Beschwerden oder technischen Fragen wollen 40 Prozent der Kunden jedoch noch immer eher im Gespräch mit Mitarbeitern klären.
Kundenservice wird zum Profitcenter
Analysten sehen die Zukunft des Kundeservice in Messaging-Diensten. Die Prognose von Gartner*: „Bis 2025 werden 80 % der Unternehmen für den Bereich native Mobile-Apps abschaffen und statt diesen im Sinne eines besseren Kundenerlebnisses auf Messaging-Dienste setzen.“
Dass sie proaktiv agieren und kommunizieren müssen, um die Interaktion mit ihren Kunden zu verbessern und ihre Loyalität zu stärken, ist Unternehmen bewusst. Dazu müssen sie die die Bedürfnisse ihrer Kunden verstehen, ihre Handlungen antizipieren. Das, so die Analysten, werde es ihnen ermöglichen, die Erwartungen ihrer Kunden zu übertreffen und sich von der Konkurrenz abzuheben. Im Ergebnis werde eine proaktivere Kommunikation dann auch zum Abbau von Silos zwischen Vertrieb, Service und Marketing führen. In den nächsten Jahren dürfte sich diese Entwicklung zudem noch beschleunigen, was Gartner so ausdrückt*: „Bis 2025 wird der Bereich Kundenservice in 40 % der Unternehmen zum Profitcenter avancieren, indem er im Bereich Kundenansprache und -bindung de facto die Führungsrolle einnimmt.“
* Gartner: „Predicts 2021: CRM Customer Service and Support“, 1. Dezember 2020 (Autoren: Brian Manusama, Nadine LeBlanc, Philip Jenkins, Pri Rathnayake, Jim Davies, Jim Robinson)