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Herausforderungen einer modernen CX in Finanzdienstleistungen
Von Ilana Simons, Financial Services Lead, Zendesk UK
Zuletzt aktualisiert: 17. März 2022
Am 1. Oktober startete JP Morgan seine neue Digitalbank für Privatkunden im Vereinigten Königreich. Als eines der größten amerikanischen Kreditinstitute mit einem breiten Spektrum an Finanzdienstleistungen wird dieser Neuzugang seine Gegenspieler auf dem zunehmend wettbewerbsintensiven britischen Markt zweifellos vor Herausforderungen stellen. Der Launch ist nur ein weiterer in der zunehmenden Fintech-Welle, die über das Vereinigte Königreich, Europa und die Welt schwappt. Bankgeschäfte verschieben sich von herkömmlichen Filialen auf die Bildschirme unserer Mobilgeräte, wodurch auch der Wettbewerb im Privat- und Firmenkundengeschäft zunimmt. Diese Entwicklung sorgt wahrscheinlich in Europa und im Vereinigten Königreich für das schwierigste Ertragsumfeld. Viele Finanzdienstleister streben Investitionen in die technologische Modernisierung und den digitalen Wandel an. Zugleich müssen sie aber Kosten reduzieren und höhere Renditen erzielen. Ganz zu schweigen von dem großen Druck, unter dem sie angesichts niedriger Zinsen und komplexer lokaler Bestimmungen stehen. Kein Wunder also, dass Ertragssteigerungen schwierig sind.
Mit der Fintech-Welle haben sich auch die Erwartungen von Kunden geändert. Kunden setzen Flexibilität, Personalisierung, Echtzeit-Zugang und Benutzerfreundlichkeit inzwischen voraus. Außerdem wünschen sie sich eine herausragende Customer Experience von einer Marke, der sie vertrauen können. Infolgedessen orientiert sich die Branche zunehmend auf die Kundenanforderungen, setzt auf die Nutzung von Echtzeit-Daten und die Erledigung von Aufgaben. Digitale Lösungen sind für diese Umgestaltung und den Aufbau von Unternehmen der Zukunft von entscheidender Bedeutung. Durch den Aufbau modularer Plattformen mit digitalen, cloudbasierten Technologien wird die gesamte Power von Daten zur Bereitstellung von ausgezeichnetem Kundenservice genutzt.
Viele herkömmliche Finanzinstitute stehen jedoch vor großen Herausforderungen, wenn es darum geht, ihr heutiges Unternehmen zukunftssicher zu machen. Schließlich sind ihre Infrastruktur und technischen Kapazitäten nicht auf eine digitale Welt eingerichtet. Viele stellen sich daher die Frage, wie sie sich auf die Zukunft vorbereiten und ihr Institut vorantreiben können. Hier spielt CX eine wesentliche Rolle, da sie typische Katalysatoren wie Preis und Produkt in den Schatten stellt. Jede FinServ-Firma ist einzigartig, in Bezug auf den Kundenservice und CRM stehen sie jedoch alle vor ähnlichen, übergreifenden Herausforderungen. Dazu gehören:
- Modernisierung des bestehenden Tech-Stack. Moderne digitale Architekturen sind etwas völlig anderes als die monolithischen Altsysteme. Sie sind modular aufgebaut und basieren nicht auf eng miteinander verbundenen Anwendungen, sondern auf einer Vielzahl von Mikrodiensten, von denen jeder eine bestimmte Aufgabe erfüllt. Techologie komplett zu verschrotten und zu erneuern ist für einen etablierten Akteur jedoch extrem schwierig, schon allein weil Daten gesichert werden müssen und Datenschutzaspekte zu berücksichtigen sind.
- Ausbreitung neuer Kanäle – Rund-um-die-Uhr-Zugang und das Anbieten von Diensten über moderne Kanäle wie soziale Medien gewinnen an Bedeutung, damit Unternehmen Kunden dort antreffen, wo sie angetroffen werden möchten.
- Fehlende Ressourcen für Self-Service-Inhalte. Kunden fühlen sich bemächtigt, wenn sie Antworten selbstständig über die Website oder App finden.
- Schwierigkeiten bei der Verwendung verfügbarer Kundendaten: Schwierigkeiten bei der Verwendung verfügbarer Kundendaten: Kundendaten sind heutzutage ein wichtiger Vermögenswert. Unternehmen müssen jedoch die mit in Silos abgeschotteten Systemen verbundenen Schwierigkeiten überwinden und einen zentralen, leicht zugänglichen Ort schaffen, an dem sie eine einheitliche Ansicht über einen Kunden haben. Dies wiederum ermöglicht eine individuellere Customer Experience.
Das Erfüllen von Kundenerwartungen und das Einhalten von Service Levels bei gleichzeitiger Bereitstellung sicherer, persönlicher Dienstleistungen ist jedoch mit weiteren Herausforderungen verbunden. Alle Organisationen möchten positive, langfristige Beziehungen mit ihren Kunden aufbauen. Die entsprechenden Methoden und Tools entwickeln sich jedoch schneller als je zuvor branchenübergreifend weiter. Die Bereitstellung von Support auf eine bestmöglich skalierbare Art und Weise stellt sich oftmals kompliziert dar. Die Weiterentwicklung dieser Methoden und der technische Fortschritt ziehen wiederum Veränderungen im Kundenverhalten nach sich. Beispielsweise nahm die Nutzung von Online-Banking bei Kunden über 45 Jahren während der Pandemie am schnellsten zu. Viele greifen nun über ihre Mobilgeräte auf Finanzdienstleistungen zu und führen dort auch Transaktionen durch. Natürlich wirkt sich das auf die Besuche von Bankfilialen aus. Laut einer vom IT-Unternehmen CACI durchgeführten Studie wird die Anzahl der Kunden, die ihre nächste Bankfiliale aufsuchen, um Finanztransaktionen zu tätigen, vor 2022 um 36 % sinken. Millennials im Alter von 18 bis 24 Jahren, die ihre Bankfiliale derzeit etwa sechsmal pro Jahr aufsuchen, werden diese bis 2022 nur noch zweimal jährlich betreten. Trotz des Anstiegs von Fintech und digitaler Technologien fordern Kunden weiterhin menschlich Interaktionen statt reine Transaktionen. Das heißt, dass die Benutzererfahrung und die Entwicklung von Produkten mit einem kundenorientierten Ansatz für Finanzdienstleister wichtiger denn je ist.
Die Herausforderungen sind vielfältig. Die Bereitstellung einer überzeugenden CX bedeutet, die grundlegenden Vorteile der eigenen Position – Marke, Kundendaten, -bindung und Know-how – in Verbindung mit der neuesten Technologie und modernen Arbeitsmethoden zum eigenen Vorteil zu nutzen. „Digital“ wird mittlerweile besser verstanden, und die Vorteile sind nun weithin bekannt. Tatsache ist jedoch, dass Finanzdienstleister noch viel Arbeit vor sich haben, um ihre CX zukunftsfähig zu gestalten.